Er ist ein sehr naturverbundener Mensch, liebt alle Tiere, ist Mitglied bei Greenpeace, trennt seinen Müll und hasst alles neumoderne wie Internet, Playstation, Fernsehen (Ausnahme: Nachrichten, Sendungen mit Ranga Yogeshwar und Actionfilme).
Jeden Morgen schrotet er für's Müsli Braunhirse & Buchweizen in einer Körnermühle, die das mit gefühlten 3.000 Dezibel erledigt, weshalb ich sehr froh bin, dass wir nicht zusammen wohnen.
Und er liebt Sonnenauf- & -untergänge.
Kein Urlaub, in dem nicht mindestens 46 Fotos von Sonnenuntergängen und 3 von Sonnenaufgängen (die verschläft er meist, weil ich heimlich den auf 4 Uhr früh gestellten Wecker entschärfe) gemacht werden.
Aber wozu? Kennste einen Sonnenuntergang, kennste alle.
Die Sonne ist nun mal da. Auf- und unterzugehen ist ihr Job, das muss man nicht extra dokumentieren. Mein Chef knipst mich auch nicht bei jedem Wort, das ich tippe.
Und er ist leidenschaftlicher Segler. Wobei er natürlich achtgibt, dass er mit seinem Kiel keinen des Weges schwimmenden Fisch köpft.
Ich mag Natur auch.
Gebunden als Blumenstrauß und kultiviert als Grabbepflanzung oder in Parks.
Ich mag Tiere - aber nur die hübschen. Bei Nacktmullen oder Welsen gruselt's mich... die könnte ich nicht mal essen!
Andere sind schneeblind, ich bin waldblind: nach 1 Stunde mit Hund im Wald, flirren mir die Augen vor lauter grün und ich muss dringend den nächsten Asphaltdschungel aufsuchen.
Meine Assoziationen zu "Wald":
- Exhibitionisten lauern hinter Bäumen
- zwielichtige Typen in Tarnklamotten führen querwaldein ihre Rottweiler spazieren
- das Handy meldet ein Funkloch
- wenn man einen ganz besonders miesen Tag erwischt, entdeckt der Hund eine Leiche im Unterholz und
- wenn man dann vor Schreck kollabiert, kann man nicht gerettet werden, weil Waldwege zu eng und unübersichtlich für einen Rettungswagen sind (den man aber wegen des Funklochs ohnehin nicht hätte rufen können).
Wenn ich ausserhalb meiner 4 Wände Spaß haben will, dann muss das schneller gehen:
3 Straßen weiter schlendern, sich ins Eiscafè Venezia in die Sonne setzen, Sanften Engel bestellen, mit dem Barista flirten, Fußgänger begucken - fertig!
CounterStrikes Condition Zero habe ich in 4 Stunden durchgezockt und Camping verabscheue ich noch mehr als Nacktmulle.
Ach ja, und der Genuss eines McRib beschert mir multiple Orgasmen.
In der Hoffnung, mir die Natur auf spielerische Art etwas näher zu bringen, lud der LAG mich neulich zu einer "Glühwürmchennacht" ein.
In dem Werbeprospekt, den er mir überreichte, stand:
"Vollmondwanderung durch den Stadtforst unter der Leitung von Elisabeth Morgenröthe-Rauthenkrantz. Machen Sie sich auf einen ereignisreichen Abend gefasst, denn nachdem sich Fuchs & Hase 'Gute Nacht' gesagt haben, ist trotzdem noch ordentlich was los im Wald.
Hänsel- & Gretelmäßig bahnen Sie sich unter Leitung von Waldmeisterin Morgenröthe-Rauthenkrantz einen Weg durchs Unterholz und schauen den Fledermäusen bei der Nahrungssuche zu. Wir lauschen den Geräuschen der Nacht und erfahren, womit Tiere nachts beschäftigt sind. Nebenbei wird Waldmeisterin Morgenröthe-Rauthenkrantz Sie an ihrem großen Erfahrungsschatz teilhaben lassen."
Ich hoffte sehr, dass Tiere nachts einfach nur daliegen und pennen, denn nichts ist mir peinlicher, als Tieren beim Paaren zuzugucken.
Wir starteten um 20 Uhr: 9 Nachtwanderer und die Waldmeisterin.
Was der LAG leider dabei nicht bedacht hatte:
ich bin nicht nur grünblind, ich bin auch nachtblind, was bedeutet, dass ich beim ersten Hauch einer Dämmerung da draußen nicht mehr sehen kann. Da half mir auch der angekündigte Vollmond nix, denn es war die ganze Nacht bewölkt.
Ergo stolperte ich steviewonderesk durchs dunkle Dickicht, konnte weder die Fledermäuse beim Fressen, noch die Wildschweine beim Suhlen erkennen und der abschließenden Knicklicht-Schnitzeljagd zurück zum Ausgangspunkt konnte ich auch keinen Spaß abgewinnen.
Als wir irgendwann im Fuchsgehege standen, wollte Morgenröthe-Rauthenkrantz wissen, ob uns aufgefallen wäre, dass es dort ganz speziell riecht. Der Fuchs hätte nämlich eine besondere Duftdrüse.
Alle schnupperten ausgiebig.
Außer der LAG. Der musste dringend pinkeln und wurde nervös. Tja, das war die Strafe dafür, dass er vorher, während einer kurzen Rast, der Waldmeisterin 3 ihrer selbstgebrannten Brennesselschnäpse abgeschwatzt hatte, während wir andern nur 1 bekamen.
Es wurde erschnuppert: regennasse Erde, morsches Holz und Popkorn. Alles falsch.
„Riechen Sie noch mal ganz genau mit geschlossenen Augen!“ forderte Morgenröthe-Rauthenkrantz uns auf.
Wir schnupperten nochmals intensiv.
Torf? Nein.
Heu? Nein.
Hm.
„Also", insistierte die Waldmeisterin, "wonach riecht es hier im Fuchsgehege?“
„Nach Fuchsscheiße?!“ rief LAG, mittlerweile stark an Contenance einbüßend.
"Aber nein!", widersprach Morgenröthe-Rautenkrantz entrüstet und klärte uns auf: Der Fuchs hat eine Drüse am Schwanz, die sich Viole nennt und den Duft von Veilchen verströmt.
Eingebaute BriseOneTouch sozusagen. Das optimale Haustier.
Eingebaute BriseOneTouch sozusagen. Das optimale Haustier.
Gegen Ende der Führung, es war bereits stockfinster, wollte die Waldmeisterin, dass wir nun physisch-mentalen Kontakt zur Natur aufnehmen.
Die Aufgabe:
jeder Teilnehmer sollte sich einen Baum suchen, mit dem man sich innigen Kontakt vorstellen könne.
Dann den neuen Tagesabschnittsgefährten umarmen, die raue Rinde an der Wange spüren, seinen frischherben Duft einatmen und den dabei entstehenden Emotionen und Gedanken freien Lauf lassen und den körpereigenen energetischen Speicher neu auffüllen.
Man solle aber bitte nicht vergessen, dem Baume für die Energiespende seinen Dank auszusprechen, und dafür dass er so verlässlich jahrein jahraus Früchte trägt.
Dafür gab sie uns 10 Minuten Zeit.
Ich lehnte mich halbherzig mit dem Rücken an den Nächstbesten, starrte ins Dunkle und hoffte, dass mir mein Baum keine Spenden in Form von Zecken oder Ameisen zukommen liesse. Mitten in die Stille hinein plätscherte es plötzlich. Ziemlich laut sogar.
Iiiieh! Welches Viech pinkelt denn in so vollem Strahl?
Ein Hirsch? Ein Werwolf??
Dann dämmerte es mir: LAG! Wie peinlich!
Nur gut, dass die Waldmeisterin hier nicht mal eben kurz das Deckenlicht anknipsen konnte, um den Übeltäter zu enttarnen.
Niemand verlor ein Wort über den Vorfall; wahrscheinlich hatte jede der Frauen ihren Mann im Verdacht.
Zurück pirschten wir durchs Hirschrevier.
Fazit:
1. Natur ist mir nach wie vor nicht hygienisch genug, um mir sympathisch zu sein.
2. Richtig müsste es heißen: "Gegensätze ziehen sich zunächst an"
3. Den nächsten Kerl suche ich mir gemäß des Spruchs "Gleich & Gleich gesellt sich gern"
4. Ich bin ziemlich enttäuscht vom LAG, denn er leugnet bis heute, dass er der Plätscherer war.